Die Nichtsmaschine

In einem unauffälligen Raum in den weicheren, unbestimmbareren Zonen des Zentralgebäudes der Mitteleuropäischen Bank steht die Nichtsmaschine. Ihre unaufhörliche Tätigkeit wurde trotz strengster Geheimhaltung vor kurzem bekannt. Wer nun aber annimmt, eine solche Maschine, schon ihres Namens wegen und noch dazu in Beziehung zur Mitteleuropäischen Bank stehend, müßte das Interesse, wenn nicht den Argwohn der Öffentlichkeit erwecken, der irrt. Sämtliche Pressemeldungen über die Nichtsmaschine anlässlich ihrer Installierung waren im üblichen sachlichen Ton abgefaßt, wobei die irritierende Tatsache, daß Sinn und Zweck einer solchen Maschine nicht näher bekannt seien, durchaus Erwähnung fand. Die Meldung wurde ohne Aufregung zur Kenntnis genommen und lediglich der Umstand, daß das Bekanntwerden der Maschine auf eine Indiskretion seitens der höheren Managerebene zurückzuführen sei, da und dort hämisch kommentiert.

Die Nichtsmaschine, nicht übermäßig groß, arbeitet, wie man sich denken kann, lautlos. Ihr Ausstoß steigert sich aufgrund immer wieder vorgenommener Verbesserungen ständig. Ein in drei Schichten eingesetztes Team kontrolliert die Qualität des Nichtsausstoßes rund um die Uhr. Die Gänge um den Raum mit der Nichtsmaschine werden mit äußerster Sorgfalt steril gehalten. Trotzdem kann es vorkommen, daß sich eine nicht autorisierte Person, eine ausländische Reinigungsfrau aus einem anderen Gebäudebereich etwa, in diese Gänge verirrt. Dann kann es so etwas wie eine Störung geben. Ein unmerkliches Zittern des Körpers der Nichtsmaschine, und, wenn die nicht autorisierte Person auch noch Fragmente eines fremden Volksliedes vor sich hin summt, ein Erschauern, wie die Idee eines Innehaltens, kann die Folge sein.

Ernst Reyer, 2004